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Hamburger Abendblatt, 25. November 2002, S. 3

Urahn aller Hunde war Chinese
Erstmals gelang es Forschern, den Ursprung und die Wandlung des Wolfes zum Haustier zu ermitteln.

Von Peter Spork

Hamburg – Ob Mops oder Afghane, Chihuahua oder Dogge, Dackel oder Labrador-Retriever: Nahezu alle Hunderassen haben die gleichen Vorfahren, deren Ursprung offenbar in China liegt. Das fanden Wissenschaftler jetzt nach umfangreichen Studien heraus.

Vor etwa 15 000 Jahren, so enthüllen drei Forscherteams in der neuen Ausgabe des Magazins “Science”, zähmten Menschen in Ostasien eine Hand voll Wölfe und legten damit den Grundstein für eine einzigartige Beziehung.

Peter Savolainen vom Königlichen Institut für Technologie in Stockholm hat mit Kollegen das Erbgut von 654 Hunden und 38 Wölfen untersucht. Die Grundidee dieser Gen-Archäologie: Je ähnlicher das Erbgut zweier Hunde, desto enger verwandt dürften sie miteinander sein. Aus der Zahl zufälliger Mutationen lässt sich sogar kalkulieren, wann die letzten gemeinsamen Vorfahren lebten. Das Muster aus geographischer Verteilung und Verwandtschaftsgrad ergibt, wo sie gelebt haben.

Zunächst fand Savolainen heraus, “dass die Population aller Hunde von mindestens fünf weiblichen Wölfen abstammt”, wobei drei Linien den Ursprung von 95 Prozent aller Hunde bilden. Desweiteren zeigte sich, dass die Linien etwa am gleichen Ort entstanden sind: “Es existierte wahrscheinlich nur ein geographischer Ausgangspunkt”, so Savolainen. Dieser liege in Ostasien, vermutlich in China.

Die Zähmung von Wölfen war dort vor 15 000 Jahren wahrscheinlich “eine gängige Praxis”. Die größte Hunde-Linie, der mehr als zwei Drittel aller Rassen angehörten, sei theoretisch zwar deutlich älter, die beiden anderen wichtigen Gruppen aber nicht. Deshalb und auf Grund anderer Indizien vermuten die Wissenschaftler, dass die vermeintlich ältere Linie aus der gleichen Epoche stammt, genetisch jedoch älter erscheine, weil sie eine Mischung mehrerer kleiner Gruppen sei.

Eine zweite “Science”-Publikation verdeutlicht, wie schnell sich die Hunde im Schlepptau wandernder Menschen ausbreiteten. Jennifer Leonard von der Universität Los Angeles (USA) untersuchte mit einem internationalen Team Überreste amerikanischer Hunde, die vor der Zeit Kolumbus’ auf dem Kontinent lebten. Ihr Fazit: Die Hunde der neuen Welt stammten von den gleichen Vorfahren ab wie ihre Vettern aus der alten Welt. Schon “die Menschen, die Amerika vor 12 000 bis 14 000 Jahren kolonialisierten, brachten mehrere Linien domestizierter Hunde mit”, schreiben die Forscher.

Dass die Hunde ihre Position so rasch und nachhaltig eroberten, dürfte auch an ihrer Fähigkeit liegen, menschliche Signale so gut zu verstehen wie kein anderes Tier. Weder Schimpansen, die nächsten Verwandten des Menschen, noch Wölfe können den Hunden darin das Wasser reichen. Das fanden Verhaltensforscher des Max-Planck-Instituts in Leipzig und der Harvard University (USA) heraus. Hunde sind eindeutig am geschicktesten darin, einen Menschen zu verstehen, der auf verstecktes Futter zeigt, das Versteck berührt oder es anstarrt.

Junge Hunde, die bislang kaum Kontakt zu Menschen hatten, schnitten in den Tests sogar besser ab als ausgewachsene Wölfe, die mit Menschen zusammen lebten. “Unsere Ergebnisse stützen nicht die Voraussagen, wonach Hunde ihre Fähigkeiten von Wölfen geerbt oder durch intensiven Kontakt mit Menschen erlernt hätten”, sieht Co-Autor Brian Hare aus Cambridge zwei populäre Thesen widerlegt. Stattdessen scheinen die enormen hündischen “Fähigkeiten zur sozialen Kommunikation” Resultat eines Ausleseprozesses während der Verwandlung vom Wolf zum Haustier zu sein. Bewusst oder unbewusst hatte der Mensch also schon vor mehr als zehn Jahrtausenden seine Finger im Spiel der Evolution.
© Peter Spork

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