Leseproben

Die folgenden Leseproben stammen aus „Höher – schneller – weiter“. Sie sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Deutschsprachige Nutzungsrechte vermittelt mein Verlag.

Der Weg zur Spitzenleistung

Hinter all diesen Verwandlungen steckt eine wunderbare Kraft: die Evolution. So lautet der Name für ein Spiel, nach dessen Regeln aus bestehenden Lebewesen immer wieder neue und immer wieder andere Arten entstehen. Die Evolution spielt mit der Natur seit es Leben gibt. Sie probiert aus, ob man mit Flügeln, Flossen oder Beinen besser fliegen kann, ob Bäume besser einen dicken harten Stamm oder lange biegsame Halme haben, oder ob ein Fell besser warm hält als ein Schuppenkleid.

Die Evolution verändert nicht den einzelnen Baum oder einen einzigen Hund. Sie wirkt auf viele Bäume oder Hunde gleichzeitig. Ihr Einfluss ist aber meist so winzig, dass wir ihn erst nach vielen Generationen sehen können, also bei den Urururenkeln eines Hundes zum Beispiel. In vielen winzigen Schritten entscheidet sie, ob die Blätter einer Baumart im Laufe der Jahrtausende größer oder kleiner werden oder ob eine Hunderasse lange oder kurze Beine bekommt.

Die Evolution wirkt bei allen Organismen, egal ob Pflanze, Pilz, Mensch oder Tier. Sie hilft den einen dabei, schneller zu jagen oder sich besser vor Feinden zu verstecken. Sie sorgt bei anderen dafür, dass sie den kalten Winter besser aushalten oder die Trockenheit in einer Wüste. Es ist aber reiner Zufall, ob und wann die Evolution einem Wesen hilft, sich zu verbessern.

Allerdings ist es kein Zufall, dass ein verbessertes Wesen besonders viele Kinder, Enkel und Urenkel bekommt. Dafür sorgt ja gerade die Verbesserung. Und die Kinder erben die neuen Eigenschaften von ihren Eltern und geben sie an ihre Kinder weiter.

Viele solcher kleinen Verbesserungen, die immer wieder an die Nachfahren vererbt werden, führen dazu, dass neue Arten von Lebewesen entstehen. Und so werden aus unscheinbaren Wesen Rekordhalter: Das kann der Strauch sein, der fast am kalten Nordpol wächst, die Spinne, die es ewig ohne Wasser aushält oder das Seepferdchen, das wie eine Koralle getarnt ist.

Das Tollste an der Sache: Solche Rekorde stecken in jedem Wesen. Jeder Organismus hat ungeheuer viele Vorfahren – und von jedem hat er ein Stück geerbt. So hat er ohne sein Wissen unzählbar viele Verbesserungen hinter sich. Dank der Evolution kann jedes Wesen irgendetwas so gut wie kein Vertreter einer anderen Art – und wenn es nur wie im Fall des Faultiers das Faulsein ist.

Deshalb sind alle Arten in irgendeinem Bereich spitze. Sie sind vielleicht die schnellsten Schwimmer, die geschicktesten Weitspucker oder tollsten Springer der Welt. Vielleicht werden sie auch unfassbar alt, wachsen so hoch wie niemand sonst oder sind winziger als alle anderen.

Ein besonders seltsames Wesen hat sich im Laufe der Zeit sogar darauf spezialisiert, sehr schlau zu sein. Es nennt sich mittlerweile Mensch, kann reden und schreiben und verbringt oft einen großen Teil seiner Zeit mit dem Lesen von Büchern. Ich glaube eines dieser merkwürdigen Exemplare sitzt gerade über diesen Seiten und will endlich wissen, wo der höchste Baum wächst, das schnellste Tier rennt und der übelste Schläger wohnt. Also: Genug der einleitenden Worte! Fangen wir endlich an.

Können Bäume endlos wachsen

Jede Pflanze braucht zum Überleben Wasser. Das sammelt sie mit ihren Wurzeln und lässt es zum größten Teil durch kleine Öffnungen in ihren Blättern verdunsten. Den Weg von der Wurzel zum Blatt legt das Wasser in dünnen Röhrchen im Baumstamm zurück. Wenn oben Wasser verdunstet, ist das als würdet ihr an einem Strohhalm saugen: Die Wasserteilchen kleben ein bisschen aneinander, und es entsteht ein Sog, der Wasser aus dem feuchten Boden nachzieht als sei es Limo in eurem Glas. Nun stellt euch vor, euer Strohhalm wäre 130 Meter hoch. Ihr würdet euch wundern, wie schwer das Trinken plötzlich fällt. Genau dieses Problem haben Riesenbäume.

Amerikanische Forscher sind jetzt auf fünf der acht höchsten Bäume geklettert und haben nachgeschaut. Dort oben kommt so wenig Wasser an, dass es trocken wie in einer Wüste ist. Dann haben die Forscher nachgerechnet: Ab einer Höhe von etwa 130 Metern wiegt die Wassersäule in den Transportröhrchen so viel, dass kein Wasserteilchen mehr in die Luft verduften kann. Die Grenze des Baumwachstums ist erreicht.

Die größten Schläger der Natur

Wo der Fangschreckenkrebs hinhaut wächst kein Gras mehr. Die handtellergroße Garnele trägt statt Scheren zwei schwere Keulen an ihren Fangbeinen. Die hämmert sie mit einer Geschwindigkeit von bis zu 23 Metern pro Sekunde ihrer Beute entgegen. Schnecken, kleine Fische und andere Krebse gehen nach einem solchen Schlag sofort k.o. Mit weiteren Keulenhieben haut das Tier seine Opfer dann sogar in Stücke, damit es sie besser fressen kann.

Die ungeheure Wucht erreichen die Schläge, weil die Tiere ihre Fangbeine am Körper einhaken. Erst mit viel Kraft lösen sie sich blitzartig – ein Mechanismus wie bei einem Katapult. Die Beute wird vermutlich aber schon vor dem eigentlichen Schlag ohnmächtig. Durch die wuchtige Unterwasserbewegung entstehen nämlich Gasblasen, die den Keulen vorauseilen und ebenfalls durchschlagende Wirkung haben.

Große Angst haben übrigens Aquariumsbesitzer vor den Krebsen, denn die sollen schon Scheiben zerstört haben, nachdem sie aus Versehen in ein Becken eingeschleppt wurden. Aber das ist wohl eher ein Märchen.

Die feinste Nase

Wie gut Hundenasen sind, brauche ich euch nicht erzählen: Fährten verfolgen über Kilometer hinweg, im Dienst der Polizei versteckte Drogen erschnüffeln, durch gegenseitiges Beschnuppern am Hinterteil sich kennen lernen – alles ein Hundespiel. Aber auch eine Frage des Trainings: Bananenduft ist für Hunde so uninteressant, den riechen sie auch nicht besser als wir Menschen mit unserer schlechten Nase.

Dennoch haben Hunde im Wettkampf um die allerfeinste Nase keine Chance. Es gibt Lebewesen, die können so gut riechen, besser geht’s nicht. Um das zu verstehen, müsst ihr erst mal wissen, was eine Nase eigentlich macht: Wissenschaftler nennen sie auch den chemischen Sinn, weil sie bestimmte Stoffe, also Chemikalien, registriert, die in der Luft vor sich hin treiben. Bei einer schlechten Nase, wie der unsrigen, müssen viele Teilchen der gleichen Chemikalie gemeinsam auf die Nase treffen, damit wir merken: „Ooh, was riecht diese Rose schön.“ Bei einer guten Nase, wie der eines Hundes reichen ganz wenige Teilchen, damit er zum Beispiel merkt: „Wuff, nix wie in den Nachbarort. Metzger Meyer brät mal wieder meine Lieblingswurst.“

Und bei der allerbesten Nase? Da reicht ein einziges, unbeschreiblich kleines Duftteil, ein so genanntes Molekül – schon erkennt sie den Geruch. Einen besseren Geruchssinn kann es gar nicht geben, weil es keine halben Duftteile gibt. Eine solche Supernase haben die Männchen mancher Nachtfalterarten. Besonders berühmt ist der Seidenspinner, weil er im Hauptberuf die feine Seide erzeugt. Das Riechorgan seiner Männchen sieht aus wie eine riesige Spezialantenne zum Abhören von Signalen aus dem Weltraum. Es sind lange, federartige Fühler mit vielen abstehenden Seitenästen. Sie helfen den Schmetterlingen, ein wartendes Weibchen aus einigen Kilometern Entfernung zu entdecken und gezielt dorthin zu fliegen. (…)

Was sind Eiweiße?

Alles was lebt, besteht zum allergrößten Teil aus denselben winzigen chemischen Stoffen. Sie sind so klein, dass ihr sie nicht mit einem normalen Mikroskop sehen könnt. Forscher brauchen spezielle Geräte dafür: so genannte Rasterelektronenmikroskope. Die Stoffe heißen Eiweiße und haben mit dem Weißen vom Ei eigentlich nur deshalb etwas zu tun, weil das natürlich auch aus Eiweiß besteht. Die Experten sagen zu den Eiweißen Proteine. Das Wort habt ihr sicher schon mal gehört, zum Beispiel wenn eure Eltern mahnen: „Iss doch endlich den Fisch, da sind viele wichtige Proteine drin.“

Tatsächlich müssen wir ständig Eiweiße mit unserer Nahrung zu uns nehmen, damit unser Körper wachsen und sich erneuern kann. Die Bausteine, aus denen unser Essen besteht, zerlegt unser Körper in ihre Einzelteile und schickt sie mit dem Blut zu den Orten, wo gerade eine Baustelle ist. Das können eure Organe sein, die ja noch wachsen, eine Wunde, die heilt oder ein Muskel, der sich nach einer Trainingseinheit verstärken will. Andere Körperteile brauchen die Bausteine laufend für ihre Verjüngung: Die Haut oder das Blut erneuern sich zum Beispiel ständig.

Doch wie ist es möglich, dass die Natur so viele verschiedene Sachen aus nur einer Art von Chemikalie baut? Das Geheimnis steckt in den Eiweißen selbst: Sie bestehen aus vielen, wie Perlen aneinandergereihten Stoffen, den Aminosäuren. Von diesen Perlen gibt es zwar nur 20 verschiedene, weil die aber zu beliebigen Mustern aneinandergereiht werden können und daraus ganz unterschiedlich lange Ketten entstehen, gibt es unvorstellbar viele mögliche Eiweiße.

Jedes Eiweiß besteht also aus einem ganz bestimmten Perlenmuster. Das sorgt dafür, dass das Eiweiß eine ganz bestimmte Form und Größe hat. Und damit hat die Natur unendlich viele Bausteine zur Verfügung, aus denen sie ja auch unendlich viele Farben und Formen zaubert.

Je nach Bedarf kann ein Lebewesen nun noch andere Stoffe in und um die Eiweiße einlagern, etwa Mineralien, die einen Panzer, Zähne oder Knochen härter machen oder Holzfasern, die Bäume stabil machen. Unglaublich, was dann alles entsteht: solide Gerüste, höllisch giftige Substanzen, Farbstoffe aller Art, sagenhaft elastische Bänder, ultradünne Häute und und und…

Die stärksten Tiere

Was ist das stärkste Tier? Die Antwort ist gar nicht so einfach: Scherzbolde sagen, die Schnecke, weil sie ihr eigenes Haus tragen kann. Wichtigtuer sagen, der Nashornkäfer, weil er das 850fache seines eigenen Körpergewichts tragen kann. Doch wer nachrechnet, mag das nicht glauben: Ein 20 Gramm leichter Käfer soll 17 Kilogramm schwere Steine schleppen? Das muss doch wohl ein Märchen sein – oder es hat sich jemand gewaltig verrechnet.

Bleiben wir also auf dem Teppich der belegten Fakten: Das stärkste Tier ist der Elefant. Er hebt Lasten von bis zu einer Tonne. Allerdings wiegt er auch das Vielfache. Nimmt man das ehrlichere Maß, das Wievielfache des eigenen Körpergewichts ein Tier tragen kann, schlagen die Blattschneiderameisen die Elefanten um Längen: Wenn sie so groß wie ein Mensch wären, hätten sie keine Mühe, einen ganzen Schrank samt Inhalt über eine Leiter auf einen Speicher zu schleppen. Sie können nämlich zwölfmal ihr eigenes Gewicht tragen. Das wäre ungefähr so, als würdet ihr eure beiden Eltern und eure vier Großeltern auf einmal heben.

Kleines Wörterbuch (Glossar)

Aminosäuren
Eine Gruppe von 20 ähnlichen chemischen Substanzen, die sich zu langen Ketten aneinander reihen können. Diese Ketten heißen Proteine oder Eiweiße und sind die Grundbausteine allen Lebens. Mehr im Kapitel „Was sind Eiweiße?“ (Seite 84).

Blattschneiderameisen
Die stärksten Tiere der Welt. Sie können zwölfmal ihr eigenes Gewicht tragen. Mehr im Abschnitt „Iiih, was ist mit meinem Brot passiert?“ (Seite 108) und im Kasten „Die stärksten Tiere“ (Seite 112).

Chloroplasten
Diese Minikraftwerke sitzen in den Zellen von Pflanzen. Sie sammeln das Licht und wandeln es in Energie um. Mehr im Abschnitt „Solarzellen und andere Naturkraftwerke“ (Seite 73).

Chromosomen
Damit die Baupläne eines Wesens in die winzigen Kerne der Zellen passen, sind sie aufgewickelt und zu kleinen Klümpchen verpackt, den so genannten Chromosomen. Mehr im Abschnitt „Was sind Gene?“ (Seite 86).

DNS (Desoxyribonukleinsäure; auch DNA genannt)
Aus dieser chemischen Substanz ist der Bauplan eines jeden Lebewesens geschrieben. Mehr im Abschnitt „Was sind Gene?“ (Seite 86).

Evolution
Diese Wissenschaft beschreibt, wie im Laufe der Zeit aus den einfachen, winzigen Organismen, die die Ur-Erde besiedelten, all die heutigen Wesen wurden. Sie geht davon aus, dass Lebewesen sich zufällig und in kleinen Schritten ständig verändern und die Veränderungen an ihre Nachfahren vererben. Die meisten Veränderungen sind nutzlos oder bewirken gar nichts. Manche bieten aber einen Vorteil und setzen sich im Laufe der Zeit durch. Mehr in der Einleitung (Seite 9) und im Abschnitt „Wo die Vielfalt herkommt“ (Seite 101).

Facettenaugen
Die Augen der Insekten. Sie werden auch Komplexaugen genannt und sind aus vielen kleinen Einzelaugen zusammengesetzt, den so genannten Ommatidien. Mehr im Abschnitt „Das schnellste und das schärfste Auge“ (Seite 58).

Flöhe
Die besten Springer im Tierreich. Die Blut saugenden Insekten leben im Fell von Tieren. Es gibt zum Beispiel Katzen- oder Hundeflöhe, die manchmal auch auf Menschen überspringen und juckende Stiche hinterlassen. Mehr im Abschnitt „Weitsprung-Weltrekord“ (Seite 73).

Fotosynthese
Ein komplizierter chemischer Prozess, mit dem Pflanzen aus Sonnenlicht Energie gewinnen. Mehr im Abschnitt „Solarzellen und andere Naturkraftwerke“ (Seite 73).

Gene
Gene sitzen in jedem Zellkern und sagen dem Lebewesen, wie dessen Bausteine (Proteine) aussehen. Jedes Gen enthält den Bauplan für ein Protein. Eltern geben Gene an ihre Kinder weiter: Sie vererben sie. Deshalb sehen sich Verwandte ähnlich. Mehr im Abschnitt „Was sind Gene?“ (Seite 86).

Gepard
Die schnellsten Säugetiere der Welt. Sie rennen bis zu 110 Stundenkilometer. Mehr im Abschnitt „Schneller geht’s nicht“ (Seite 18).

Hallimasch
Dieser essbare Pilz ist das größte Lebewesen der Erde. In Oregon, einem Staat der USA, haben Biologen ein riesiges unterirdisches Hallimasch-Geflecht entdeckt. Mehr im Abschnitt „Iiih, was ist mit meinem Brot passiert?“ (Seite 108).

Helicobacter pylori
Diese Bakterien leben bei etwa jedem dritten Europäer im extrem sauren Magen. Meist sind sie harmlos, doch manchmal lösen sie Entzündungen der Magenschleimhaut aus. Dann können sie mit Gegenmitteln, Antibiotika genannt, bekämpft werden. Mehr im Kasten „Die größten Überlebenskünstler“ (Seite 39).

(…)