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Frankfurter Rundschau, 30. März 2004, S. 29
Im Schlaf lernen
Schlafforscher Jan Born im Gespräch mit der FR

Interview Peter Spork

Frankfurter Rundschau: Herr Professor Born, Sie erforschen seit Jahren die Arbeit des schlafenden Gehirns. Achten Sie nun mehr auf ihre eigenen Nächte?

Jan Born: Ich nehme den Schlaf auf jeden Fall ernster als früher und versuche bewusst, eine hohe Schlafqualität zu erreichen. Davon profitiert die geistige Fitness.

Welche Prozesse laufen im schlafenden Gehirn ab?

Klar ist inzwischen, dass das Gehirn nicht ausgeschaltet ist, sondern Informationen aktiv weiterverarbeitet. Es käut unbewusst wieder, was es in der Vergangenheit erlebt hat. Auf der Ebene der Nervenzellen wiederholen sich im Schlaf Erregungsmuster, die in der Wachphase aufgetreten sind, um die zugehörigen Erfahrungen zu enkodieren, sprich festzuschreiben.

Stammen daher auch die Träume?

Vermutlich schon. Die Reaktivierung der Nervenzellen läuft aber unterschwellig ab. Deshalb sind die Träume keine exakten Kopien der Vergangenheit, sondern eher etwas, was wir im Nachhinein, wenn wir wach werden, mit den Erregungsmustern verknüpfen. Außerdem spielt sich dieses so genannte Reprozessieren auch im Tiefschlaf ab, wenn wir kaum träumen.

Bei welcher Art von Lernen hilft der Schlaf?

Der aktuelle Stand der Forschung zeigt, dass das prozedurale Gedächtnis im Schlaf mindestens verstärkt wird – also das Einstudieren von Bewegungsabläufen, das Spielen eines Musikstücks oder Ähnliches. Die Fähigkeit, Muster auf einem Bildschirm wiederzuerkennen, wird sogar ausschließlich im Schlaf gebildet. Für das deklarative Gedächtnis – etwa das Lernen von Vokabeln oder Gleichungen – ist dieser Beweis noch nicht gelungen. Das liegt daran, dass diese im Gehirn mehrere Tage zwischengespeichert werden und man sie nicht einfach durch eine Nacht Schlafentzug auslöschen kann.

Welche Rolle spielen die einzelnen Schlafphasen?

Darüber kann man im Moment nur spekulieren. Für jede Art von Gedächtnis scheinen alle Schlafphasen wichtig zu sein, nur unterschiedlich stark. Wir vertreten die Hypothese, dass prozedurales und auch emotionales Gedächtnis vor allem den REM-Schlaf brauchen, das deklarative Gedächtnis vor allem den Tiefschlaf.

Verbessert man seine Leistungen, wenn man mehr schläft?

Wenn jemand mal acht statt sieben Stunden schläft, ist kein Unterschied nachweisbar. Aber es gibt Untersuchungen die belegen, dass deutlich zu wenig Schlaf sich sehr wohl auswirkt: Nach drei Stunden Schlafdauer sind die Leistungen signifikant schlechter als nach acht Stunden. Und der Vergleich von Probanden, die zwischen 90 Minuten und neun Stunden schliefen, ergab, dass sich die Resultate mit zunehmender Schlafdauer verbesserten.

Schüler sollten vor einer Prüfung also ausreichend schlafen?

Nicht unbedingt. Wer zwei Tage und Nächte lang Vokabeln paukt statt zu schlafen, dürfte sie wegen seines Zwischenspeichers auch noch am Tag danach erinnern. Allerdings kann der Schlafmangel die Konzentration beeinträchtigen. Und – man lernt ja für das Leben und nicht für die Prüfung: Längerfristig speichert das Gehirn nur dann, wenn es ausreichend Nachtschlaf bekommen hat.

Professor Dr. Jan Born ist Direktor des Instituts für Neuroendokrinologie der Universität zu Lübeck.

© Peter Spork / Jan Born

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